Zivilcourage endet nicht! Besuch eines ehemaligen Bausoldaten in der Kinzig-Schule

Junge Menschen, die heute in einer Zeit aufwachsen, in der es keinen Wehrdienst oder Zivildienst mehr gibt und in der die Zeit der Teilung Deutschlands in West und Ost, sprich: Bundesrepublik und DDR, Geschichte ist, können mit dem Begriff ,,Bausoldaten“ gar nichts anfangen. Dabei zeigten diese durch ihre Verweigerung des Kriegsdienstes Zivilcourage in einem totalitären Staat.
Die Projektgruppe ,,Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ der Kinzig-Schule lud am 31.10.2018 den ehemaligen Bausoldaten Dr. Stefan Wolter ein, um nicht nur das Thema Bausoldaten aufzugreifen, sondern auch um auf dessen Kampf um eine historisch richtige Berichterstattung über den wichtigsten Bausoldaten-Standort in der DDR aufmerksam zu machen.
Bausoldaten waren diejenigen, die den Dienst an der Waffe beispielsweise aus ethischen Gründen, verweigerten. Als Bausoldat anerkannt zu werden, war jedoch oft ein schwieriger und schikanöser Prozess für die Wehrdienstverweigerer. Sie wurden auf mehrere Standorte in der DDR verteilt. Beispielsweise nach Prora auf der Insel Rügen, wo auch Dr. Stefan Wolter untergebracht war. Der Gebäudekomplex, der ursprünglich als KdF-Bad (Kraft durch Freude) geplant war, allerdings nie als solches genutzt wurde, war in mehrere große Blöcke aufgeteilt. Block 5 wurde als Kaserne für die Bausoldaten genutzt. In diesem mehrere Kilometer langen Gebäude waren während des gesamten Zeitraums 3000 Bausoldaten untergebracht. Die Bausoldaten wurden von ihren Vorgesetzten schikaniert und oftmals auch zu unnötigen Aufgaben gezwungen.
Das Gebäude wurde kurz nach der Wiedervereinigung von Investoren für wenig Geld erworben, um daraus Luxusappartements und Hotels zu errichten. Ein Teil der Kaserne der Bausoldaten wurde zu einer Jugendherberge umgebaut. Die gesamte Vermarktung des Komplexes nimmt nur Bezug auf die Vergangenheit als KdF-Bad, welches es ja gar nicht gab. Dagegen wird die Nutzung als NVA-Großkaserne totgeschwiegen, d.h.   diese Zeit wird bewusst nicht erwähnt.
Dr. Stefan Wolter setzt sich dafür ein, dass die Geschichte der Bausoldaten nicht einfach ausgeblendet wird; denn dadurch würde ein wichtiger Teil der deutschen Geschichte keine Beachtung finden. Das wäre schlimm, weil doch die Bausoldaten sehr aktiv in Kirche und Friedensbewegung waren und so auch einen großen Anteil an der friedlichen Revolution hatten. So beweist der Zeitzeuge auch hier Zivilcourage und hat durch den Kampf gegen das Vergessen erreicht, dass in Prora eine Ausstellung, die über das Leben der Bausoldaten informiert, besucht werden kann und eine Gedenktafel für diese errichtet wurde. Außerdem werden bald neue Schaukästen vor dem Block 2 des Gebäude-Komplexes zu sehen sein, die über dessen Geschichte informieren.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Dr. Stefan Wolter für seinen engagierten Vortrag und bei Viviane Herbert und Leonie Gerlach, die mit Impuls-Referaten den Einstieg in das komplexe Thema erleichterten, und dem restlichen Team von ,,Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ für diesen aufschlussreichen und (hoffentlich) wachrüttelnden Einblick in die deutsche Geschichte.
(Umarbeitung des Artikels durch Leonie Gerlach)