Die digitale Revolution braucht Wandel und Beständigkeit

Schülerinnen und Schüler der Kinzig-Schule nach 12 Jahren erneut zu Besuch beim niederländischen Verlagshaus de Volkskrant – bekannte Gesichter und Strukturen trotz einschneidender Veränderungen

Mitglieder des Deutsch ergänzenden Grundkurses „Medien und Journalismus” am Beruflichen Gymnasium der Kinzig-Schule besuchten im Rahmen ihrer Studienfahrt nach Amsterdam die drittgrößte Tageszeitung der Niederlande, de Volkskrant. Dort erhielten sie einen Einblick in die Arbeit der Print- und Online-Redaktion und konnten sich im Rahmen eines englischsprachigen Gesprächs mit Mitgliedern der Redaktion für Außenpolitik über die Gegenwart und Zukunft des Verlags- und Zeitungsgeschäfts austauschen. Einzelheiten zum Redaktionsbesuch können Sie dem nachfolgenden Bericht entnehmen.

Von Oberstudienrat Richard Guth

Zwei Generationen sitzen heute nebeneinander im Konferenzraum von de Volkskrant im Amsterdamer Oostenburg. Der Ältere von den beiden, Bert Lanting, ist ein richtiges Urgestein im Journalistikgeschäft: Nach Jura- und Übersetzerstudium, was ihn damals sogar in die Sowjetunion führte, fand der langjährige Ressortleiter der renommierten niederländischen Tageszeitung de Volkskrant im Bereich politischer Journalismus seine Heimat. Nach Tätigkeiten bei der holländischen Nachrichtenagentur ANP und der Zeitung Het Parool wechselte er 1993 zu de Volkskrant und arbeitete dort in den frühen Jahren des unabhängigen Russlands als Moskau-Korrespondent, ehe er Berichterstatterposten in den USA und Brüssel übernahm. Sein über drei Jahrzehnte jüngerer Kollege Tom Vennink, der sich nach Kunst-, Wirtschafts- und Politikstudium in Amsterdam und London nach Einsätzen bei anderen Medien 2015 zu de Volkskrant gesellte, erlebte drei Jahrzehnte später ein verändertes, ein anderes Russland, das er 2021 nach der entzogenen Akkreditierung innerhalb von drei Tagen verlassen musste. Es dreht sich im englischsprachigen Gespräch viel um das Begriffspaar hoffnungsvoll-hoffnungslos, um die Lage im Land zu beschreiben.

Die Wahl der beiden ehemaligen Russland-Korrespondenten als Gesprächspartner für die Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Gymnasiums der Kinzig-Schule (Deutsch ergänzender Grundkurs „Medien und Journalismus”) ist kein Zufall, ist der Russland-Ukraine-Konflikt doch allgegenwärtig. Aber auch andere Themen wie die Wahlen in der Türkei, die Migrationspolitik oder der Klimawandel beschäftigen die Journalistinnen und Journalisten, den die Besuchsgruppe heute begegnet, in den beiden Newsrooms im schicken Bürogebäude unweit des Osthafens (Oostelijk Havengebied) Amsterdams. Nachrichtenkoordinator Stan Putman von der Auslandsredaktion (Niewscoördinator buitenlandredactie) führt die Gäste durch die weiträumigen Redaktionsräume. Print- und Online-Redakteure nebeneinander sorgen dafür, dass die 400.000 Leserinnen und Leser Tag für Tag rund um die Uhr mit seriösen Informationen versorgt werden.

Putman legt bei der Führung Wert darauf, sowohl Print- als auch Online-Redakteure vorzustellen, und betont dabei, dass Online Vorrang genieße („digital first”). Die erste Station führt zum Print-Redakteur Robin Gerrits, der vor einer Wand, die die Blattstruktur der morgigen Ausgabe abbildet, in deutscher Sprache über seinen Alltag berichtet, der um zwölf Uhr vormittags beginne und abends um zehn ende. Er meint, es sei wie beim Sport, man müsse den richtigen Rhythmus finden, um ein Qualitätsprodukt für die Leser zu bieten. Obwohl de Volkskrant immer noch viele Printleser habe, gewinne Online stets dazu. Die Beiträge werden dabei vornehmlich von jungen Leuten hergestellt wie von Dunja Kramer, mütterlicherseits Deutsche, die nach einem festgelegten Plan täglich Podcasts zu aktuellen Themen produziert.

Schnelligkeit, Ansprache der Jugend und das Entwickeln neuer Formate seien Themen, die die Redaktionsmitglieder umtreibe, wird im anschließenden Gespräch mit den Schülerinnen und Schüler der Kinzig-Schule deutlich. Das Berufsbild habe sich verändert und damit die notwendigen Kenntnisse, um die Stories entsprechend zu präsentieren und den Herausforderungen des digitalen Geschäfts gerecht zu werden.

Trotz des Wandels wird eines deutlich, auch 12 Jahre nach dem ersten Besuch von Schülerinnen und Schülern der Kinzig-Schule bei de Volkskrant: Es bedarf Fachleute, um die komplexen Themen der Gegenwart für ein breites Leserpublikum aufzubereiten. Dafür stehen auch die beiden erfahrenen Russland-Korrespondenten Bert Lanting und Tom Vennink.